1988 - 2000

Im Juli 1988 trat die erste vorläufige Ordnung für die Wahl und Bestellung einer Frauenbeauftragten an der Universität Bonn in Kraft. Von den Gremienvertreterinnen im Konvent, Senat und den Fakultätsräten wurde Dr. Brigitte Mühlenbruch, Akademische Oberrätin am Pharmazeutischen Institut, für das Amt vorgeschlagen und vom Senat bestellt. 

Erhöhung des Professorinnenanteils

Schwerpunkt der Arbeit der Frauenbeauftragten war zunächst die Begleitung von Berufungsverfahren. 1986/87 betrug der Anteil von Wissenschaftlerinnen auf Professuren nur 2,3%. Dem gegenüber stand ein Studentinnenanteil von 46,6%. In ihrem  abschließenden Rechenschaftsbericht Zur Situation der Frauen an der Universität Bonn von 1990 beschreibt Mühlenbruch die Hürden und bewussten und unbewussten Prozesse, die den Aufstieg qualifizierter Wissenschaftlerinnen verhindern. Ihrer Beobachtung nach könne „dasselbe Faktum in gegensätzlicher Wertung“ wirken: während „Bewerberinnen mit dem Argument, sie seien – bei gegebener Qualifikation – noch zu jung für einen guten Listenplatz, abgelehnt wurden“, verschaffe „ihre hoffnungsvolle Jugendlichkeit männlichen Bewerbern einen Vorsprung“ (S. 11). Altersobergrenzen wirkten sich genau so negativ auf die Erfolgschancen weiblicher Kandidatinnen aus, da sie Verzögerungen durch Erziehungszeiten und andere „für weibliche Biographien typische“ (S. 12) Faktoren nicht berücksichtigten.
Der Frauenanteil unter den Bewerbungen auf Professuren war ohnehin sehr gering. Während jedoch wiederholt Wissenschaftler, die sich nicht auf ausgeschriebene Stellen beworben hatten, ausdrücklich dazu ermutigt wurden oder sogar für sie gestimmt wurde, wurden Wissenschaftlerinnen nicht in dieser Form gefördert. Im Rechenschaftsbericht bemerkt Mühlenbruch: „Es hat auch Berufungsverfahren gegeben, in denen der Grad der Rationalität und Objektivität geringer war als es den offiziellen Vorstellungen entspricht.“ (S. 12f.)

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© Gleichstellungsbüro

1987

Startpunkt für die Gleichstellung

2,3 %

Professorinnenanteil

46,6 %

Studentinnenanteil

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© Gleichstellungsbüro

AG Frauenforschung Bonn und Netzwerk Frauenforschung NRW 

Lange Zeit hatte die Universität Bonn für die Frauenforschung in Nordrhein-Westfalen eine vorreitende Position. 1982 wurde durch Marianne Krüll (damals Akademische Rätin am Seminar für Soziologie) die Arbeitsgemeinschaft Frauenforschung gegründet, die sich – im universitären und außeruniversitären Bereich – für die Förderung, Verbreitung und Vermittlung von Frauenforschung einsetzte. Die Akteurinnen der AG Frauenforschung waren auch maßgeblich daran beteiligt, dass das Amt der Frauenbeauftragten an der Universität Bonn eingerichtet und mit Brigitte Mühlenbruch besetzt wurde.

Seit Winter 1989/1990 gab die Frauenbeauftragte der Universität das „Fraueninformationsblatt“ für jedes neue Semester heraus. Darin wurden Lehrveranstaltungen mit Relevanz für die Frauenforschung verzeichnet, ebenso eine durch das Büro der Frauenbeauftragten organisierte Ringvorlesung mit Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Disziplinen. Außerdem fanden sich Verweise auf Weiterbildungsmöglichkeiten und Arbeitskreise für Frauen und Berichte über aktuelle Entwicklungen in der Frauenpolitik. Eine Zeit lang dokumentierte das Gleichstellungsbüro an der Universität Bonn vorgelegte Habilitationsschriften, Dissertationen, Magister-, Diplom- und Staatsexamensarbeiten mit diesen Forschungsschwerpunkten.

In den 80er und 90er Jahren wurden an der Universität Bonn allein drei Professuren aus dem Netzwerk Frauenforschung NRW eingerichtet. Die Bonner Historikerin Annette Kuhn war 1986 die erste Wissenschaftlerin überhaupt, die eine Netzwerkprofessur („Didaktik der Geschichte, mittlere und neuere Geschichte sowie Frauengeschichte“) erhielt. Zum Wintersemester 1997/98 wurde eine weitere Netzwerkprofessur „Altes Testament und theologische Frauenforschung“ an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn mit Irmtraud Fischer besetzt. Im April 1997 wurde außerdem mit Anke Rohde am Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde des Universitätsklinikums eine weitere Netzwerkprofessur besetzt. Ihr Lehrstuhl für „Gynäkologische Psychosomatik“ war zudem die erste Einrichtung dieser Art an einer deutschen Universität. Seit dem Weggang beziehungsweise der Emeritierung der Lehrstuhlinhaberinnen wurde an der Universität Bonn leider keine der Professuren aus dem Netzwerk Frauenforschung NRW mehr ausgeschrieben und wiederbesetzt. 

Frauen- und gleichstellungspolitische Impulse

Neben ihrer Arbeit an der Universität Bonn war Mühlenbruch als eine der Sprecherinnen der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen in NRW (Lakof) tätig. Von 1992 bis 1999 nahm sie die Rolle der Sprecherin in der Bundeskonferenz (bukof) wahr. Außerdem übernahm sie die Leitung des „Koordinationsprojekt zur Verbesserung der Chancen von Frauen im Hochschulbereich“ des Bundes, aus dem später das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS) in Köln hervorgegangen ist. Unter ihrer Leitung und der Mitarbeit ihrer Nachfolgerin Ursula Mättig waren die Koordination dieser Organisationen, Initiativen und Projekte an der Universität Bonn verankert. 2005 gründete Mühlenbruch im Auftrag der EU die in Brüssel ansässige European Platform of Women Scientists (EPWS), eine Interessenvertretung von Wissenschaftlerinnen der EU-Mitgliedstaaten mit rund 100 angeschlossenen Netzwerken. Zunächst übernahm sie die Vize-Präsidentinnenschaft, später die Präsidentinnenschaft. 2017 wurde sie zur Ehrenpräsidentin gewählt. Sie ist in zahlreichen Kommissionen und Expert*innen-Netzwerken, wie etwa dem „European Network of Women in Decision-Making in Politics and the Economy“ der Europäischen Kommission, Mitglied.

In Mühlenbruchs Amtsperiode fällt auch das Ausstellungsprojekt „100 Jahre Frauenstudium – Frauen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn“ von 1996. Die von Brigitte Mühlenbruch gemeinsam mit den Historikerinnen Annette Kuhn und Valentine Rothe erarbeitete Ausstellung und ihre Begleitpublikation dokumentieren die Anfänge des Frauenstudiums in Bonn und waren ein voller Publikumserfolg.

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© Gleichstellungsbüro

Quellen-angaben

Arbeitsgemeinschaft Frauenforschung (Hg.)

Trotz alledem...10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Frauenforschung der Universität Bonn. Oktober 1992. [Archiv des Gleichstellungsbüros]

Arbeitsgemeinschaft Frauenforschung (Hg.)

Chronologie. 15 Jahre AG Frauenforschung an der Universität Bonn. Wissenschaft anders betrachtet. Februar 1998. [Archiv des Gleichstellungsbüros]

Annette Kuhn, Brigitte Mühlenbruch, Valentine Rothe (Hg.)

100 Jahre Frauenstudium. Frauen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Dortmund: Ed. Ebersbach 1996.

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