2000 - 2016

Im November 2000 wurde Ursula Mättig vom Beirat der Gleichstellungsbeauftragten, der aus je drei Vertreterinnen jeder Statusgruppe bestand, zur neuen Gleichstellungsbeauftragten gewählt und vom Senat bestellt. Zu den Schwerpunkten ihrer Arbeit zählte die Entwicklung von Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in der Wissenschaft an der Universität Bonn, die Gründung von Förderprogrammen zur Gewinnung und Unterstützung von Nachwuchswissenschaftlerinnen, der Auf- und Ausbau der Kinderbetreuungsangebote sowie die Sichtbarmachung der Geschichte der Wissenschaftlerinnen an der Universiät Bonn. 

VOR BILDER – Pionierinnen der Universität Bonn

Das große interdisziplinäre Ausstellungsprojekt „VOR BILDER –  Wissenschaftlerinnen der Universität Bonn. Historische, soziologische und künstlerische Perspektiven“ vom 21.05. bis 20.06.2003 zielte darauf ab, die Pionierinnen der Universität Bonn öffentlich zu würdigen und der Omnipräsenz an männlichen Ahnengalerien in den universitären Räumen weibliche „Gegenbilder“ entgegenzusetzen. Gemeinsam mit Bonner Wissenschaftlerinnen aus den Geschichts- und Kulturwissenschaften, der Soziologie und Kunstgeschichte sowie dem Universitätsarchiv entstand der Hauptteil der Ausstellung: ein Panorama der Portraits, Biografien und herausragenden Leistungen der ersten Bonner Wissenschaftlerinnen, „[...] die vielleicht heute noch VorBildfunktion übernehmen“ (Einleitung, Katalog VOR BILDER, S. 8). Hauptansatz war es, die Wissenschaftlerinnen „nicht als Einzelkämpferinnen, sondern als Teilnehmerinnen an wissenschaftlichen Diskursen“ und Teil der Wissenschaftsgeschichte der Universität Bonn zu präsentieren. Ergänzend zum dokumentarischen Teil wurden Studierende aus den Klassen renommierter zeitgenössischer Kunstprofessorinnen eingeladen, die in der Ausstellung vorgestellten Wissenschaftlerinnen aus ihrer künstlerischen Perspektive mit multimedialen Beiträgen zu würdigen. Die Arbeiten wurden im Rondell des Hauptgebäudes, im Kunsthistorischen Institut und im Akademischen Kunstmuseum präsentiert. Im Kontext der Ausstellung sind ein Katalog und eine Dokumentation entstanden. 

VorBilder_Katalog.jpg
© Gleichstellungsbüro
Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© Gleichstellungsbüro

'Frauenstudium' und 'Arbeitsplatz Hochschulsekretariate'

Zwei weitere Ausstellungsprojekte wurden vom Gleichstellungsbüro in dieser Zeit ausgerichtet. Zum 100. Jahrestag des Immatrikulationsrechts für Frauen wurde die Karikaturenausstellung „Wenn Weiber studieren“ (2008) erarbeitet. Die von Ursula Mättig und Martina Pottek entwickelte Schau versammelte etwa 50 Zeichnungen aus historischen und zeitgenössischen Zeitungen und Satireblättern rund um das Thema Frauenstudium. Sie würdigte so nicht nur die Frauen von damals, die entgegen aller Widerstände ein Studium ablegten, sondern verdeutlichte auch, wie hartnäckig sich manche Klischees und gesellschaftlichen Erwartungen noch ein Jahrhundert später halten.
„Mit Schirm, Charme und Methode – Arbeitsplatz Hochschulbüro“, eine von der Leibniz Universität Hannover entwickelte Wanderausstellung über die vielfältigen Arbeitsinhalte der Mitarbeiter*innen in Verwaltung, Geschäftszimmern und Sekretariaten, schlug einen Bogen vom historischen Rückblick auf die ersten – überwiegend weiblichen – Schreibkräfte im Hochschulbereich bis hin zur spekulativen Zukunftsvision vom Arbeitsalltag 2050.

Perspektive Wissenschaft

Ein großes Anliegen war es, vor allem in den Naturwissenschaften mehr Frauen für ein Studium zu gewinnen und so den Frauenanteil auch in diesen Fächern längerfristig zu erhöhen. 2001 startete das Gleichstellungsbüro die Schnupper-Uni „Perspektive Math-Nat“ für Oberstufenschülerinnen und Abiturientinnen von Schulen aus Bonn und der Umgebung. 17 Jahre lang wurde das Projekt vom Gleichstellungsbüro einmal jährlich mit hoher Resonanz ausgerichtet. 2018 wurde die Organisation der Schnupper-Uni an die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät übergeben, wo sie bis heute fortgeführt wird.

In der Broschüre "PerspektiveProfessorin–ProfessorinnenPerspektive" (2001; 2. Auflage 2005; 2010-21 online fortgeführt) wurden die zu dem Zeitpunkt lehrenden Professorinnen der Universität Bonn in Form von selbstverfassten biografischen Porträts vorgestellt. Zielsetzung dieser Beiträge war es, nicht nur die eigenen Forschungsschwerpunkte und Veröffentlichungen sichtbar zu machen, sondern in der Rückschau auch Einblicke in den persönlichen Werdegang mit positiven und negativen Erfahrungen zu geben und so für junge Nachwuchswissenschaftlerinnen nachvollziehbar zu machen. 

Ab 2002 gab das Gleichstellungsbüro regelmäßig das Druckmagazin "FrauenPerspektiven" heraus mit Beiträgen über frauen- und gleichstellungspolitische Themen, Interviews oder Berichten aus der Frauen- und Gender-Forschung an der Universität Bonn. Ein back issues-Archiv ist online verfügbar.

Schnupperuni_Plakat_2001.png
© Gleichstellungsbüro
Icon_MvL-Flyer.jpg
© Gleichstellungbüro

Unterstützung von (Nachwuchs-)
Wissenschaftlerinnen

2004 und 2006 wurden zwei bis heute laufende Programme zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen ins Leben gerufen: das Mentoring- und Trainingsprogramm MeTra unter Leitung von Martina Pottek und das Maria von Linden-Programm zur Unterstützung und Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen. Das MeTra-Programm wurde nach einer zweijährigen erfolgreichen Pilotphase verstetigt und war damit das erste Mentoring-Programm auf Landesebene, das als feste Förderlinie implementiert wurde. Es richtete sich anfangs an Nachwuchswissenschaftlerinnen der höchsten Qualifikationsstufen (Nachwuchsgruppenleiterinnen, Habilitandinnen, Privatdozentinnen) und wurde im Laufe der Zeit auch für Doktorandinnen und Postdoktorandinnen geöffnet und immer weiter ausgebaut.

Das Maria von Linden-Programm war darauf ausgerichtet, Frauen durch finanzielle und personelle Unterstützung für den Verbleib in der Wissenschaft zu motivieren und zu gewinnen. Zum Portfolio gehörten Reisekostenzuschüsse für Forschungsaufenthalte im In- und Ausland, Jahresstipendien für berufungsfähige Frauen sowie die Finanzierung von WHK-Stellen für Habilitandinnen und später auch neuberufene Professorinnen. 

2014 wurde das Annemarie Schimmel-Stipendium ins Leben gerufen. Es richtete sich an Postdoktorandinnen, die einen Forschungsantrag zur Finanzierung der eigenen Stelle bei einer Förderorganisation eingereicht hatten oder kurz vor der Einreichung standen. Das Stipendium wurde aus Gleichstellungs- und Fakultätsmitteln finanziert und bis 2018 vom Gleichstellungsbüro betreut. 

Förderung der Frauen- und Geschlechterforschung 

Die schon 1983 gegründete Arbeitsgemeinschaft Frauenforschung, deren Geschichte den jahrzehntelangen Kampf um die Etablierung und Anerkennung der Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Bonn belegt, wurde 2004 in Forum Frauen- und Geschlechterforschung (FFG) umbenannt. Ziel des Forums war es, den interdisziplinären Dialog über zentrale Fragestellungen und Forschungsgebiete der Frauen- und Geschlechterforschung zu fördern und eine interdisziplinäre Plattform für die Vernetzung und Sichtbarkeit von Forschungsinitiativen auf diesem Gebiet an der Universität Bonn zu etablieren. Das Forum wurde bis zu seiner Auflösung 2012 von Sabine Sielke, Professorin für Literatur und Kultur Nordamerikas und Leiterin des North American Studies Program, geleitet und vom Gleichstellungsbüro aktiv unterstützt. Aus der Zusammenarbeit gingen Diskussionsveranstaltungen, Gastvorträge, Tagungen und Veröffentlichungen hervor. Seit 2003 wurde einmal jährlich der Gender Studies Prize für herausragende Abschlussarbeiten aus dem Bereich der Gender Studies ausgeschrieben. 

Von 2009-2014 wurde auf Intitiative der Gleichstellungsbeauftragten gemeinsam mit Wissenschaftler*innen der Universität an der Konzeption eines extra-curricularen „Zertifikats für Genderkompetenz“ gearbeitet. Das Zertifikat sollte Studierenden den Erwerb von Kenntnissen, Methoden und Arbeitstechniken der Genderforschung bescheinigen. Die Studieninhalte sollten zur Analyse von Geschlechterverhältnissen, Diskriminierungen und Privilegien in sozialen, kulturellen, historischen und politischen Kontexten befähigen. Die wissenschaftliche Begleitung des Studiengangs sollte vom Zentrum für Kulturwissenschaft übernommen werden. Die Implementierung des sogenannten Gender Zertifikats scheiterte letztlich an den strukturellen Barrieren. 

Wir.jpg
© KLINKEBIEL Kommunikationsdesign
Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© pexels

Erste Richtlinie zum Umgang mit sexueller Belästigung

Die Gleichstellungsbeauftragte war schon immer qua ihres Amtes Ansprechpartnerin in Fällen von sexualisierter Diskriminierung und Gewalt, die es an der Universität schon immer gegeben hat und auch noch weiterhin gibt. Die erste Richtlinie zum Umgang mit sexueller Belästigung wurde jedoch erst 2011 vom Rektorat beschlossen. Die Vorlage für diese Richtlinie wurde vom Gleichstellungsbüro und der Gleichstellungskommission erarbeitet.

Diese Richtlinie wurde 2018 vom Gleichstellungsbüro im Entwurf neu überarbeitet und schließlich 2022 von der Verwaltung und dem Rektorat geprüft und verabschiedet.

Förderung der Vereinbarkeit von Wissenschaft, Studium, Beruf und Familie

Auf Initiative der Gleichstellungsbeauftragten wurde im Mai 2005 das "Uni-Servicebüro für Eltern" (USE) unter Leitung von Regina Umbach eingerichtet und im Gleichstellungsbüro angesiedelt. Das Büro sollte allen Universitätsangehörigen für Fragen zu Kinderbetreuung zur Verfügung stehen: egal, ob zu regelmäßiger Alltagsbetreuung, Ferienbetreuung für Grundschulkinder, Informationen zur Betreuung durch Kindertagesstätten oder einfach nur zur Vermittlung von Babysitter*innen. 

Als erstes Projekt wurde im Sommer 2005 eine Umfrage zur Kinderbetreuung bei allen Mitarbeiter*innen der Universität durchgeführt. Die Ergebnisse machten unter anderem deutlich, dass in den Schulferien Betreuung für Grundschulkinder benötigt wurde, die Betreuung der unter Dreijährigen unzureichend abgedeckt war und es Handlungsbedarf bei der flexiblen Notfallbetreuung gab. Gestützt auf die Umfrageergebnisse förderte die Universität folgende Maßnahmen: In den ersten beiden Wochen der Sommerferien in NRW 2006 wurde erstmals eine arbeitsplatznahe Ferienbetreuung für Grundschulkinder von Universitätsangehörigen angeboten. In der neu eröffneten privaten Kindertagesstätte „pikkolino“ wurden 8 Belegplätze für unter dreijährige Kinder erworben. Außerdem gab es die Möglichkeit, kurzfristig in Betreuungsnotfällen den „pme Familienservice“ in Anspruch zu nehmen. 

2010 konnte nach langer Suche und Verhandlungen schließlich die erste KiTa unter Trägerschaft des Studierendenwerks im 'Newmanhaus'/Adenauerallee eröffnet werden. Im September 2014 wurde die zweite universitätseigene 'KiTa Auf dem Hügel' in Endenich in Betrieb genommen. 2011 entwickelte das Gleichstellungsbüro ein Konzept für die Umwandlung des Uni-Servicebüros in das heutige Familienbüro unter Leitung von Xenia Lehr, welches dem Personaldezernat zugeordnet wurde. Im Dezember desselben Jahres erwarb die Universität das Grundzertifikat zur Anerkennung als familiengerechte Hochschule.

USE_Plakat_Kinderbetreuung.jpg
© Gleichstellungsbüro

Quellen-angaben

Ursula Mättig, Martina Pottek, Barbara Schellewald, Sabine Sielke (Hg.)

VOR BILDER. Wissenschaftlerinnen der Universität Bonn. Historische, soziologische und künstlerische Perspektiven. [Ausstellungskatalog anlässlich der Ausstellung VOR BILDER - Wissenschaftlerinnen der Universität Bonn, 21.05.-20.06.2003]

Julia Anspach, Ursula Mättig,  Martina Pottek (Hg.)

Das Bild spricht obschon es stumm ist. Dokumentation im Anschluss an die Ausstellung 'VOR BILDER Wissenschaftlerinen der Universität Bonn.' ZOOM Schriftenreihe der Gleichstellungsbeauftragten der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Band 6, 2004.

Ursula Mättig (Hg.)

Perspektive Professorin – Professorinnen Perspektive im Jahr 2000 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. ZOOM Schriftenreihe der Gleichstellungsbeauftragten der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Erste Auflage, Band 5 , 2001. [Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage, Band 7, 2004.]

Wird geladen